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Familienstrategie

Zusammenhalt und Stabilität

Wozu eine Familienverfassung?

Man kann sich ja fragen: Wozu braucht es überhaupt eine Familienverfassung? Was sind die Gründe dafür, die ganze Familie an einen Tisch zu bringen, um über Unternehmensnachfolge zu sprechen. Lohnt sich das? Hören Sie rein. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
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Stellen Sie sich einfach mal vor, dass Sie seit - sagen wir mal 10- 20 Jahren in der Gesellschafter-Geschäftsführer Rolle sind. Ihr Unternehmen ist erfolgreich, alles läuft wunderbar. Der Gesellschafterkreis ist gut strukturiert und klein. Und Sie überlegen sich: hmm, möglicherweise, im Moment macht mir noch alles unsagbar viel Spaß und ich liebe das, wenn die Dinge laufen und der Erfolg belohnt einen auch so schön. Aber möglicherweise kommt der Tag, an dem ich auch ein Stück weit spüre, dass Arbeiten nicht nur schön ist, sondern auch anstrengend. Und dann kommt vielleicht der Wunsch auf, zu sagen: Ach, so gut mir alles gelingt und so schön alles läuft. Ich möchte auch mal drüber nachdenken: Wie geht es denn dann weiter? Also wer sind denn Menschen, die vielleicht an meine Stelle rücken, die mir Verantwortung abnehmen, so dass ich vielleicht nach wie vor beteiligt sein kann? Aber ach, die ganze Last auf meinen Schulten...

Ja, irgendwie ist es doch auch schön, Perspektiven zu entwickeln. Und das ist so die Fragestellung, die einen oft dazu führt, sich zu überlegen: Ja, was braucht es denn eigentlich dazu, dass es diese Menschen gibt und dass man mit diesen Menschen ins Gespräch kommt und daraus womöglich sogar eine Nachfolge Lösung entwickelt, die mir selbst hilft. Findet man ja immer schön, die mich also irgendwann entlastet, die dem Unternehmen hilft, so dass es erfolgreich weitergeht. Aber auch denen entspricht, die dies weiterführen und die dann möglichst so gut miteinander verbunden sind über den Austausch und die gemeinsamen Prozesse, die man hat, dass man das auch gut aushalten kann. Weil, wie Sie alle wissen: Familie kann auch manchmal anstrengend sein oder mal nur halb professionell. Und sich genau das anzugucken, das eben das Gute und die Leidenschaft der Familie Schub geben, ohne dass man sich in Dinge verstrickt. Das wäre so die Fragestellung, die wir jetzt betrachten könnten.

Der Tannenbaum hat ausgedient.

Alles nur an einen Thronfolger zu übergeben, wird seltener. Hat der Tannenbaum ausgedient? Eines der zentralen Themen im Nachfolgeprozess. Hören Sie rein. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
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Aus meiner Sicht hat der Tannenbaum ausgedient. Die Position der Person, die eben ein Letztentscheidungsrecht in den Händen hält, die wird seltener. Auch die Idee zu sagen, ich übertrage eben möglichst nur an einen Thronfolger, wird auch seltener. Einfach aus dem Grund: Wenn Ihr Unternehmen wächst, bedeutet das zu viel Liquiditätsabfluss. Also die Fragestellung zu sagen, eine Person hält alles in den Händen und übergibt an die nächste Person, die alles in den Händen hält, ist aus verschiedenen Gründen oft so teuer, so dass ich glaube, der Tannenbaum - eine Spitze und nach unten weitergeben, der wird demnächst ausgedient haben. Oder zumindest mal verliert er so ein Stück weit an Berechtigung.

Was brauche ich dafür, wenn eben nicht die eine Person das letzte Entscheidungsrecht in den Händen hält? Möglicherweise noch unterstützt durch einen kleinen Gesellschafterkreis, der dahinter steht und sagt: Ja, unsere Gesellschaft oder der/die Geschäftsführer/in macht das ganz prima. Im Wesentlichen tragen wir alles mit. Solange alles profitabel ist, haben wir eigentlich keine weiteren Wünsche. Wenn dem nicht so ist, sondern wie eben zurzeit auch häufig geschehen, mehrere Kandidaten in den Fokus rücken, die alle wunderbar ausgebildet sind, die unheimlich viele gute Impulse setzen könnten als Gesellschafter oder vielleicht auch im Unternehmen.

Dann stellt sich die Frage: Wie soll denn das gehen? Wir kennen vor allem das Letztentscheidungsrecht. Die Frage ist also, inwieweit gibt es denn überhaupt einen Einigungswillen? Also inwieweit ist es denn überhaupt denkbar, nicht alleine zu entscheiden? Inwieweit kann ich denn Abhängigkeit nicht nur akzeptieren, sondern daraus vielleicht sogar etwas Positives ziehen, weil es Lösungen runder macht? Weil ich Rückhalt bekomme, weil ich nicht alleine auf der Bergspitze stehe, sondern Leute habe, die Entscheidungen mittragen. Also wenn man zum Beispiel zu sechst entscheidet – und hat einen, der nicht einverstanden ist und es wäre falsch, den hält man nachher aus, aber immer für sich alleine stehen… das ist manchmal so ein bisschen anstrengend. Also das sind aus meiner Sicht die großen Vorteile der Kooperation.

Einigkeitswille und -fähigkeit

Die ernst zu nehmende Frage, die ich in jedem Nachfolge Prozess wichtig finde, ist die große Frage: wie steht es um den Einigungswillen und um die Einigungsfähigkeit – das ist auch nicht das gleiche.
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Also ich kann willens sein, mit anderen entscheiden, und stelle dann im Alltag fest: Vom Naturell her bin ich dafür überhaupt nicht geeignt... Hören Sie rein. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Wenn man weiß, man muss breiter aufstellen, die einzige Spitze, die wird es nicht mehr geben, ist die große Frage: wie stehts um Einigungswillen und um Einigungsfähigkeit - ist auch nicht das gleiche. Also ich kann willens sein, mit anderen zu entscheiden und stelle dann im Alltag fest: Vom Naturell her bin ich dafür überhaupt nicht geeignet beziehungsweise ich muss mir Konstrukte erarbeiten, damit es eben doch geht.
Und so stellt sich eben die Frage: Kann ich auf Freiheit verzichten, weil das Unternehmen, das ich übernehme, über Generationen gewachsen ist? Ich habe schon eine gewisse Flughöhe. Es gibt schon bestimmte Dinge zu beachten. Und das ist eben mein ernst zu nehmender Ratschlag: Übernehmen Sie nichts, von dem Sie nicht glauben, dass es Ihnen auch hilft.

Also wer sich die Dinge komplett neu denken will, ist ein guter Kandidat für den Start-Up. Aber wenn ich in ein bestimmtes Familienunternehmen mit einer bestimmten Größe eintrete, macht es vor allem dann Sinn, wenn ich einige Bestandteile davon fortführen will. Und das bedeutet immer weniger Möglichkeit zu prägen, weniger Möglichkeiten, von Anfang an die Dinge genau so zu tun, wie man sie tun will. Und immer auch Anforderung dahingehend, einigungsfähig zu sein. Und um Einigungsfähigkeit auf den Weg zu bringen und auch ein Stück weit zu testen, dafür kann es sinnvoll sein, sich eine Familienverfassung zu erarbeiten, um eben gemeinsam sich einen Wertekodex zu geben, in dem man sich bewegt oder gemeinsame Ziele festzulegen, in denen man sich bewegt, um zu sagen: In der Grundhaltung schauen wir alle in die gleiche Richtung. Und wenn wir das tun, dann sind die Einzelfallentscheidungen leicht. Aber der Grundsatz: Was tun wir, was tun wir nicht? Wohin wollen wir, was wollen wir nicht tun? Das ist das, was in der Familienverfassung steht. Neben der Fragestellung, wer ist eigentlich in welcher Rolle, wie ist das Familienunternehmen miteinander verbunden, so dass daraus für alle Beteiligten was Positives entsteht und man eben nicht sich gegenseitig behindert, aus Versehen.

Handlungsfähig bleiben.

Das höchste Gut - ich habe es schon gesagt - ist die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit.
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Gesellschafter, die sich gegenseitig in Pattsituation bringen, 50-50 Verteilungen im Stimmrecht und ewiges Aussitzen, weil man die eigenen Themen nicht durchbringt und deshalb auch die Themen des anderen nicht akzeptiert: Das sind alles Dinge, die machen Unternehmen kaputt und mit Verlaub auch die Unternehmerfamilie und denjenigen, die in diesem Spiel gefangen sind.

Und deshalb ist für mich die gemeinsame Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit das Allerwichtigste, das höchste Gut, das man hat. Und dafür brauche ich einen geordneten Rahmen. Ich brauche ein Unternehmen, das eine Struktur hat. Ich brauche einen Gesellschaftsvertrag, der trägt. Die meisten sind nicht auf die Nachfolgesituation ausgerichtet, zumindest nicht auf den wachsenden Gesellschafterkreis. Und da sind oft veraltete Dinge drin, auch das muss man sich natürlich anschauen.

Zusammenhalt und Stabilität

Neben dem ordnenden Rahmen brauche ich noch was anderes. Und das ist Zusammenhalt und Stabilität. Wenn ich nicht vertraut bin im Umgang mit denen, mit denen ich investiert bin, geht es nicht gut. Wenn ich keinen Respekt erwarten kann von denen, mit denen ich investiert bin, geht es nicht gut.
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Wenn ich für mich selbst glaube, dass es okay ist, über den anderen hier und da Dinge zu sagen, die man ihm selber nicht ins Gesicht sagen könnte, ist das nicht gut. Und, übliche Praxis in Familien, so zumindest mein Empfinden, meine Erfahrung, die ich aber ausräumen muss für ein gemeinsames Investment.

Sonst werde ich eben nicht entscheidungsfähig sein und mich an der einen oder anderen Stelle beharken. Da werden Rechnungen aufgestellt, wenn man unzufrieden ist. Die müssen später beglichen werden in irgendeiner Form. Und das geht meistens zulasten der Familie und des Unternehmens. Mit einem klitzekleinen Gewinn für die handelnde Person, die sich aber im großen Ganzen betrachtet. Ja, der lohnt sich nicht. Und kooperieren muss ich nicht nur im Gesellschafterkreis. Ich muss auch kooperieren mit der operativen Führung, die entweder Familienmitglied ist oder eine familienfremde Person. Oder auch mit dem Beirat.

Und das braucht Strukturen. Es braucht Erfahrungswerte. Das braucht ein gutes Wissen und, und, und. Und gut aufgesetzte Entscheidungsprozesse. Damit ich eine faire Chance habe. Damit es gelingen kann. Weil der Zusammenhalt und die Stabilität sind nicht selbstverständlich. Selbst wenn ich als Unternehmerfamilie gerne Zeit miteinander verbringe. Weiß ich, in der Nachfolge wird es holprig, wenn die eine Meinung gegen die andere steht und ich jemand nicht gewinnen kann. Und ich muss wissen, wie wird daraus ein Konsens oder auch eine Entscheidung. Brauche ich dafür Verfahren und Prozesse. Und so künstlich das klingen mag in Unternehmerfamilien, so wichtig erlebe ich in meiner Praxis, dass es ist, damit die Dinge auch funktionieren und man selbst mit möglichst wenig Verschleiß seiner Aufgabe nachgehen kann.

Fokussiert bleiben.

Was ist unser gemeinsames Interesse?
Wichtig ist, fokussiert zu bleiben. Oft merke ich, dass es so eine gewisse Verzettelungsgefahr gibt. Und der Beginn über Nachfolgethemen landet ganz schnell bei diesem operativen Thema, beim anderen operativen Thema und bei der Geschichte aus der Vergangenheit.
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Die Frage ist aber: was ist unser gemeinsames Interesse? Ist es das, das Familienunternehmen zu erhalten? Dann sollten wir auch Dinge tun, die dazu hilfreich sind und Dinge lassen, die dazu nicht hilfreich sind.

Auf welcher Basis stehen wir denn eigentlich? Haben wir die gleiche Idee davon, wie die Welt funktioniert? Denken wir beispielsweise, dass diese Welt eine erhaltenswerte ist und auch Generationen nach uns noch was davon haben sollten. Dann müssen wir unser Handeln in der Familie und im Unternehmen daran auch ausrichten. Sehen wir es anders, müssen wir auch das tun. Aber die Frage ist immer, inwieweit sind solche Dinge konsensfähig? Und was eben auch schwer fällt, ist, den Fokus auf eine Zeitspanne zu halten, die nicht nur für die übergebende Generation Sinn macht, sondern auch für die nachfolgende. Üblicherweise tun wir Dinge so, dass sie praktisch sind oder gut passend für den Zeithorizont, den wir haben. Und wenn der eben noch fünf Jahre ist, dann würde ich Veränderungen weglassen, die erst dann helfen, wenn die fünf Jahre vorbei sind. Das hilft der übergebenen Generation nicht. Der Generation, die ans Ruder soll und der ich den Boden bereiten will. Also ist die Frage: Auf welchen Zeithorizont können wir uns einigen, den die Übergeber überblicken können?
Der aber auch der nachfolgenden Generation hilft, weil es schon den Übergang mit anpreist und Veränderungen möglich macht, die erst dann möglicherweise positive Wirkung zeigen, wenn die jetzigen Gestalter nicht mehr am Ruder stehen, sondern übergeben haben. Und diesen Fokus zu halten, nicht auszuweichen auf viele Themen, die man auch klären könnte, auf den Alltag, auf die Führungskraft, die mal Schwierigkeiten bereitet, auf Mitarbeiter im Allgemeinen und Speziellen und den Fachkräftemangel - all diese Dinge eben mal außen vor zu lassen und nur im Grundsatz darüber zu sprechen. Worum geht es uns eigentlich? Wo wollen wir hin? Wie werden wir das tun?

Dafür meine Empfehlung: Nehmen Sie jemand an die Seite, der diesen Prozess moderiert, weil sonst die Gefahr einfach groß ist, sich in vielen anderen Themen zu verzetteln, die nachher nicht zu dem führen, was sie wollen. Nämlich eine Lösung, die der nachfolgenden Generation den Boden bereitet, das Unternehmen profitabel hält und Ihnen, wenn Sie übergeben, das gute Gefühl gibt, es sei stimmig, sie sind versorgt und die nächste Generation wird gut miteinander im Austausch sein, wird mit den Aufgaben auch glücklich werden, weil sie so eingesetzt wird, dass dies auch ihren Fähigkeiten und Neigungen entspricht.

Werte und Ziele

Den Zusammenhalt kann man wunderbar stärken oder auch ein Stück weit testen über die Erarbeitung von Werten und Zielen. Wie halten wir es denn zum Beispiel mit der Ehrlichkeit?
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Es ist leicht gesagt zu sagen: Wir sagen, was wir denken und wir tun, was wir sagen. In der Praxis wird man manchmal feststellen, dass man nicht alles sagt, was man denkt, weil man denkt: Ach, das will der andere vielleicht nicht hören.

Vielleicht hilft es mir nicht. Ja, vielleicht wecke ich damit nur schlafende Hunde, was auch immer. Also wird es Dinge geben, die ich nicht sage. Und manchmal werde ich etwas sagen, aber es nicht tun, weil ich unterwegs feststelle, dass es grundsätzlich gut klingt, aber derart unangenehm ist, dass ich es lieber sein lasse. Hinzu kommt, Ehrlichkeit ist verletzungsanfällig. Grundsätzlich eine tolle Sache. Aber wie gehe ich damit um, wenn Selbst- und Fremdbild nicht übereinstimmen und ich dann plötzlich die emotionale Keule um die Ohren bekomme mit Dingen, die ich so überhaupt nicht hören will? Nicht besonders zielführend. Aber dieser Austausch, welches Maß an Ehrlichkeit wollen wir denn zum Beispiel? Oder kann Ehrlichkeit ein Gegenspieler zum Thema Zusammenhalt sein? Also kann uns der Zusammenhalt so wichtig sein, dass wir mit der Ehrlichkeit mit Bedacht umgehen, aufeinander achten, weil wir einfach auch froh sind, einander zu haben. Da kann man versuchen, über das Wertethema auch eine Art Balance herzustellen, indem es zu jedem Wert, für den man einstehen kann, auch einen Gegenspieler gibt, der immer auch noch mal überbordende Anspruchshaltung reguliert. Die treffe ich nicht selten in Unternehmerfamilien und viel Glitzer und schöne Worte, die ich aber im Alltag nicht leben kann, die helfen nicht. Und wenn ich über Werte und Ziele spreche, für die Familie und fürs Unternehmen, müssen die Orientierungsfunktion im Unternehmen haben, also lebenspraktisch sein. Wenn ich sie nicht mit Leben füllen kann, dann sind es die Falschen und dann muss ich ein Stück weit eindampfen. Aber auch die Frage: Wo will ich denn nun eigentlich hin? Was ist denn überhaupt machbar? Was mache ich dann mit neuen Familienmitgliedern, die dazukommen?

Was mache ich damit, dass das Leben bunter wird und die Standard-Familie, wie man sie vielleicht früher gesehen hätte, mit Vater, Mutter, Kind verheiratet, natürlich vor dem ersten Kind. Wenn die so nicht mehr trägt und ich mehr Vielfalt zulassen muss, wie kann ich denn diese Vielfalt auch bündeln? Wie kann ich ihr einen Rahmen geben und so, dass auch jeder seinen Platz findet und sich darin wohlfühlt? Anderes Beispiel, wenn das noch erlaubt ist, wäre die Harmonie oder die schöne Atmosphäre. Und die finde ich auch großartig. Also als Mutter zweier Kinder finde ich es auch schön, wenn ich Familie im Haus habe und es wird an meinem Geburtstag nicht gestritten. Aber wo ist denn da noch der Raum für die Dinge, die da ungesagt bleiben? Wo hat Unausgesprochenes seinen Raum? Wie können wir das abarbeiten, so dass eben die Harmoniewünsche, die Familien oft haben, nicht dazu führen, dass sich Dinge aufstauen, dass zu viel unterm Teppich bleibt, bis es eigentlich nicht mehr vorgekehrt werden kann.

Und diese Balance aus verschiedenen Dingen, wären für mich eben die Fragestellung, mit denen ich mich befasse, um zu sagen: Die Familie wächst, sie wird bunter, sie hat verschiedene Ansätze. Die muss ich regulieren. Und eine Familienverfassung gemeinsam zu schreiben, bedeutet, das gemeinsame Entscheiden zu üben. Also als Familie, sich darüber zu verständigen. Was meinen wir denn jetzt mit Ehrlichkeit? Das sind erste gemeinsame Entscheidungen, die man trifft und bei denen man rausfinden kann, inwieweit die wachsende Familie konsensfähig ist oder eben nicht. Und so habe ich einen sanften Weg herauszufinden, wie tragfähig Dinge sind, bevor ich den großen Wurf wage und Menschen zusammen in den Gesellschafterstatus werfe, die vielleicht gar nicht so gut miteinander können.

Nachfolgelösung

Wenn ich dann erarbeitet habe: Was sind denn die Werte, was sind die Ziele? Wer hat welche Rollen oder darf sie haben? Inwieweit spielt Familie noch eine Rolle im Unternehmen?
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Sind wir schon beim Fremdmanagement und sehen die Familie eher im Beirat oder ja eben in ihrer Gesellschafterfunktion? Oder sind wir noch ganz operativ mit drin?

Wenn wir all diese Dinge wissen, geht es eben darum, dass auch mit gemeinsamem Commitment zu versehen. Also die ganze Unternehmerfamilie an einen Tisch zu bringen und zu sagen Hurra, wir haben unsere Lösung, so soll alles sein. Und ja, weil ich die richtig finde, würde ich mich auch moralisch binden. Mit meiner Unterschrift signalisiere ich: Da ist mein Commitment. Kann ich zwar hinterher nicht einklagen, aber ich zeige mein Commitment. Und es ist oft der Beginn einer neuen Ära, anders miteinander umzugehen. Also vom Tannenbaum weg, dorthin, wo eben die Dinge runder werden, wo die Abstimmungsprozesse an die Stelle einer natürlichen Autorität gerückt sind. Und dafür muss ich natürlich wissen: Wer muss sich denn daran gebunden fühlen? Wer ist denn bitte die Unternehmerfamilie? Nicht jedes Familienmitglied hat automatisch auch mit dem Unternehmen zu tun oder es soll mit dem Unternehmen zu tun haben. Also muss ich den Kreis derer bestimmen, die dazugehören. Also meistens Gründer, Gründerin, dann eben die Kinder. Dann stellt sich schon die Frage Was ist mit den Partnern? Ab wann ist man dann in dem Status, eben auch ernst genommen zu werden? Wenn wir sie ernst nehmen und sie dazugehören, was sollen sie denn tun? Wo sollen sie eingebunden sein? Was dürfen sie wissen? Welche Informationen teilen wir, welche teilen wir nicht? Und all solche Dinge ja gehören eigentlich nicht so sehr ins Familienleben hinein, das zu definieren. Aber es ist wichtig, um der Nachfolgelösung Stabilität zu geben.

Und wie schon gesagt, das ist emotional bindend, keinesfalls rechtlich. Die rechtlichen Dinge gehören alle in den Gesellschaftsvertrag oder in die Geschäftsordnung oder wohin auch immer, aber nicht in eine Familienverfassung. Das soll es wirklich nur darum gehen, wofür stehen wir heute, wofür stehen wir in der Zukunft? Und welche Rollen sind denn für die Familie grundsätzlich denkbar? Alle Dinge, die rechtliche Bindungswirkung haben sollen, haben dort keinen Platz und werden über den Weg hin zur Familienverfassung also in der Familienstrategie besprochen, ohne dass es aber in der Familienverfassung einen Platz haben sollte.

Grundsätzliches und Verbindlichkeit

Es geht um den Grundsatz. Und der Grundsatz gibt den Rahmen vor für all die kleinen Dinge, die besprochen werden müssen. Aber die Frage ist: Ist unser Fundament stabil genug?
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Beziehungsweise, was müssen wir tun, damit unser Fundament so stabil ist, dass wir auch über alle Lebenslagen rüber kommen?

Über Wachstum, über Konsolidierung, über Streitpunkte, über Veränderungen im Markt, die wir nicht absehen konnten, die unser Geschäftsmodell bedrohen. Und dafür braucht es ganz viel Konsens, im Grundsatz. Nicht in den vielen kleinen Dingen des Lebens, sondern im Grundsatz. Und ich muss eine Idee davon haben, welches Mitglied der kommenden Generation in welcher Rolle gut aufgehoben ist, um sich gut zu fühlen, um wirksam zu sein und darüber zur Stabilität der Lösung beizutragen. Wer die falsche Rolle hat, wer in der Rolle nicht wirksam sein kann, wer in der Rolle nicht erfolgreich sein kann, wird immer Tendenzen haben, seine Rolle wieder zu verändern und zu verhandeln oder ja, den anderen zu beweisen, warum sie ihre Rolle nicht gut ausfüllen. Und dieses Puzzlespiel, jeder an einen Platz mit dem entsprechenden Abstimmungsprozess, wäre quasi die Leistung, die ich erbringen muss. Damit ich sagen kann: auch in der folgenden gewachsenen Generation ist das Unternehmen nach wie vor in guten Händen und die Entscheidungsfähigkeit ist gesichert.
Danach denke ich drüber nach. Was gibt uns denn noch Halt? Also macht es Sinn, sich einmal im Jahr zu treffen und als Familie gemeinsam Zeit zu verbringen, aber auch nochmal über Eckdaten des Unternehmens zu sprechen, über den Stand der Dinge, der vielleicht auch für die Nachfolgegeneration interessant ist, wie Digitalisierung, Entwicklung der Produktpalette. Das Thema Nachhaltigkeit, finde ich, ist auch immer wichtig für die nachfolgende Generation, um eben dauerhaft im Gespräch zu bleiben und vielleicht sogar schon den Boden zu bereiten für die Generation, die danach kommen mag. Und ich finde es ja immer ganz schön, über Generationen hinweg zu denken, so lange das Geschäft auch trägt. Dann kann es sinnvoll sein, der Familie eine Stimme zu geben. Also wer ist die Person oder wer sind die Personen, die zu allen anderen einen guten Draht haben, die hinreichend neutral sein können, die auch ein Standing haben in der Familie und deshalb auch, auf die Geschäftsführung, sei sie familienintern oder fremd zugehen können und sagen können: Ich muss da mal was adressieren. Also der Umgang mit Praktika gefällt uns nicht. Wir sehen keine guten Einstiegsmöglichkeiten für die Familie, da gibt es noch Unklarheiten, lasst uns darüber sprechen, oder, die in der Familie Themen adressieren, die nicht rund laufen. Aber wie gesagt, dafür empfehlen sich vor allem Personen, die von allen Akzeptanz haben und auch selber für sich nichts mehr erreichen wollen. Also eher die Großelterngeneration als die Eltern oder die Kindergeneration. Und dann ist es natürlich wichtig, die Dinge einfach zu halten.

Fünf Werte kann ich mir merken. Fünf Ziele auch. Alles drüber wird schwierig und wird kompliziert. Also einfach halten und dann daran halten. Weil neben der Entscheidungsfähigkeit, die ja für das Unternehmen wichtig ist, würde ich sagen, ist für die Familie die Verbindlichkeit wichtig. Wenn ich Vereinbarungen treffe in der Familie, die keine fünf Minuten halten, dann brauche ich die Gespräche überhaupt nicht fortführen. Dann sage ich Okay, lass‘ uns Familienunternehmen gut trennen, dafür sorgen, dass es nicht viel Einfluss gibt. Nur wenn ich Verbindlichkeit herstellen kann, nur wenn es gelingt, dass sich Familienmitglieder an vereinbarte Dinge halten, macht es Sinn, an der Stelle weiterzuarbeiten. Und es bedeutet nicht, dass ich nicht nach einer gewissen Zeit Dinge unter Revisionsvorbehalt stellen kann, also noch mal prüfen kann. Ist das, was wir uns gedacht haben, wirklich gut oder müssen wir noch mal justieren? Aber ich muss einen Zeitraum vereinbaren, für den Dinge verlässlich sein können, weil sonst ist Vertrauen erodiert und Zusammenarbeit wird unheimlich schwierig.

Legitimation und Stabilität

Wichtig finde ich auch, dass dieser Prozess in der zu definierenden Unternehmerfamilie der Nachfolgelösung unheimlich viel Legitimation verschafft. Es sind eben keine Hinterzimmergespräche, die zur Nachfolgelösung führen.
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Es ist keine Übergeberin, die kurz mal einen potenziellen Nachfolger zur Seite nimmt und sagt: hör mal, wollen wir dich mal nicht so und so installieren, ich bring dich auf den Weg. Sondern es ist die ganze Unternehmerfamilie, die darüber nachdenkt, wer an welcher Stelle wirksam sein kann und ob das Sinn macht. Und das gibt ganz viel Legitimation und darüber ganz viel Stabilität. Jeder, der eine Nachfolgelösung nachvollziehen kann, wird sie mittragen. Jeder, der sich denkt: Oh, da wurde mal wieder irgendwie dem zuliebe was getan, wird sie nicht mittragen. Und ich versichere Ihnen, jeder findet auch Mittel und Wege, Lösungen zu torpedieren, wenn er den Eindruck hat, da geht irgendwas nicht mit rechten Dingen zu. Und diese Geschlossenheit herzustellen, die kann ich eben nur dann herstellen, wenn die Dinge, die ich tue, auch von allen als legitim empfunden werden und das ist das Gleiche wie rechtens. Ich habe oft Lösungen gesehen, die rechtmäßig waren, aber nicht als fair empfunden wurden. Und dann bin ich automatisch in dem Bereich, dass es Familienmitglieder gibt, die werden so etwas kippen wollen.

Wenn ich so weit gekommen bin, dann haben Sie sich ja schon auf eine große Reise gemacht, zu sagen: Wofür stehen wir? Wo wollen wir eigentlich hin? Wer? In welcher Rolle? Wie halten wir das fest? Wir haben unsere Familienverfassung unterzeichnet. Ja dann beginnt das wahre Leben eigentlich erst, weil ich ja dann auf Kurs bleiben muss und gucken muss, dass all die Dinge, die wir vereinbart haben, auch im Alltag mit Leben gefüllt werden, mit allen Widrigkeiten und mit allen Schwierigkeiten, die ich so haben kann. Und an der Stelle wird es spannend: Wie gut gelingt es? Wird jede Person am richtigen Platz sein? Werde ich am Familientag einmal im Jahr draufschauen, ob der Zeitplan, den wir uns gedacht haben, auch wirklich trägt? Ob das Sinn macht oder nicht. Und das sind all die Fragestellungen, die man eben betrachten muss, um zu sagen das, was man sich vornimmt und was man an Lösungen, Strukturen, Anteilsübertragung, Geschäftsführungspositionen und dem ganzen bunten Strauß an Nachfolgeüberlegungen, dass der eben auch später noch erfolgreich fürs Unternehmen sein kann und die Familie zufrieden macht.

Dafür muss ich noch ein bisschen nachjustieren, Nachsorge betreiben, damit ich da auf einem guten Kurs bleiben kann. Und das ist so im Wesentlichen das, was ich zum Thema beitragen kann:
"Warum eigentlich eine Familienverfassung?"